Der IFRS 17 soll den IFRS 4 ersetzen, der seit dem Jahr 2004 in Kraft ist und für die Bilanzierung von Versicherungsverträgen zuständig ist. Zum 1. Januar 2021 soll der Standard umgesetzt werden. Keine Anwendung findet die neue Regelung auf Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten des Versicherers, die als „finanzielle Vermögenswerte bzw. Verbindlichkeiten“ im Verwendungssegment von IAS 39 bzw. neu ab 1.1.2018, IFRS 9 für Finanzinstrumente, angesiedelt sind.
Im Rahmen der vorausgegangenen Konsolidierungsphase entwickelte sich zunehmend ein Standardentwurf heraus, der mit einem neuen Bewertungsmodell, dem Building Block Approach (kurz BBA), Versicherungsverträge bewertet und sie anschließend bilanziert. Innerhalb dieses BBA Ansatzes gibt es 4 Bausteine.
Im ersten Baustein geht es um die Schätzung zum Zeitpunkt der Berichterstattung des zukünftigen cash flows. Es ist somit das Ergebnis der nicht abgezinsten Mittelzuflüsse, wie etwa Prämieneinnahmen und deren dazugehörigen Mittelabflüsse, wie beispielsweise Versicherungsvertragsforderungen der Versicherten, aber auch allgemeine Betriebskosten des Versicherers.
Im zweiten Baustein hingegen geht es um den jeweiligen Zeitwert des Geldes im Vertragsverlauf. Geld, was man heute besitzt ist im Verhältnis mehr „Wert“ als die gleiche Geldsumme, wenn sie erst in der Zukunft vorhanden ist – es geht hier also um Zinsen, die sich in der Zeitspanne „heute vs. Zukunft“ ansammeln. Für die Berechnung ist eine marktkonforme Diskontkurve notwendig, die die Entwicklung der Währung als auch die Liquidität des Vertrages aufzeigt. Der Wert des zweiten Bausteins ist somit der Unterschied zwischen dem Barwert des zukünftigen Cashflows und einem nicht diskontierten Wert.
Im dritten Baustein wird eine Risikoanpassung vorgenommen. Er ist die „Schnittstelle“ aus Sicht der Versicherung für positive und negative Entwicklungen (Inanspruchnahme der Versicherung durch den Kunden oder auch nicht). Allerdings darf auch bei der Risikoanpassung nicht willkürlich berechnet werden: eine Reihe von Techniken zur Risikoanpassung stehen zur Verfügung und dürfen genutzt werden, allen Voran der „Value at Risk“ (VaR) Ansatz, ein Standardrisikomaß im Finanzsektor. Im Detail wird wohl ein Ansatz mit „historischer Simulation“ Anwendung finden, wobei aus der Historie heraus Prognosen für die Zukunft getroffen werden; oder auch ein „Verlustverteilungsansatz“, bei dem mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen gearbeitet wird.
Im Letzten, dem vierten Baustein, werden im eigentlichen Sinne die zukünftigen Gewinne des Versicherungsunternehmens in Bezug auf den Versicherungsvertrag widergegeben – dies in einer vertraglichen Dienstleistungsspanne – Servicemarge oder auch Residualmarge genannt. Immer, wenn zum Betrachtungszeitpunkt der Versicherungsverträge die Summen der Bausteine eins bis drei ausgeglichen sind und somit ein künftiger Gewinn vorliegen könnte, wird ein entsprechender Betrag im vierten Baustein ermittelt und danach als Ertrag in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen. So wird der am Vertragsanfang ermittelte Betrag des vierten Bausteins über die Laufzeit des Vertrages wieder aufgelöst, was den Hintergrund hat, dass nicht beim erstmaligen Ansatz des Versicherungsvertrages ein Gewinn ausgewiesen wird, der sich in der Laufzeit durch Schadenzahlungen in einen Verlust wandeln könnte. Jedes Jahr wird somit der Barwert des Vertrages betrachtet und anteilig verbucht. Zum Vertragsende muss die Summe des Bausteins vier null sein (ausgeglichen durch Verbuchung innerhalb der Laufzeitjahre in die Gewinn- und Verlustrechnung).
Nach diesem Modell werden somit die Versicherungsvertragsverbindlichkeiten als Barwert der zukünftigen Versicherungsströme mit einer Risikovorsorge berechnet. Dies beinhaltet zum einen eine neue Gewinn- und Verlustrechnungsbetrachtung für Versicherungsverträge und zum anderen auch neue Offenlegungspflichten. Nur bei kurzfristigen Verträgen ist es erlaubt, ein vereinfachtes und unverbindliches Prämienmodell zu verwenden, bis eine eigentliche Forderung durch den Versicherungsnehmer im Rahmen einer Schadenmeldung vorliegt, die dann entsprechende Buchungen auslöst.
Somit kommen nach Solvency II weitere, sehr große Herausforderungen auf die Versicherer zu. Die Professionals der RFC Professionals GmbH sind Spezialisten in der Anforderungsanalyse und jeweiligen Kundenumsetzung für International Financial Reporting Standards und kennen und verstehen die Abhängigkeiten zwischen den Themen. Was wir in der Bankenbranche sehr erfolgreich in der Vergangenheit unter IFRS 9 umgesetzt haben, findet nunmehr den Fortgang bei IFRS 17.
Alexander Wolf ist als Senior Manager bei der
RFC Professionals GmbH tätig und Ansprechpartner
für alle Governance-Themen rund um den Bereich Versicherungen.