„Es dauert zwanzig Jahre, sich eine Reputation zu erwerben und fünf Minuten, sie zu verlieren. Wenn man das im Auge behält, handelt man anders.“ Das Zitat des US-amerikanischen Investors Warren Edward Buffett trifft in puncto Reputation den berühmten Nagel auf den Kopf. Leider vergessen viele Unternehmen danach zu handeln, wie die täglichen Meldungen zu Reputationsrisiken und ihre Auswirkungen verdeutlichen. Doch woran liegt es, dass Unternehmen scheinbar sehenden Auges in die Krise schlittern? Und was können Unternehmen tun, um ein professionelles Reputationsrisikomanagement in der eigenen Organisation aufzubauen? 3grc.de sprach mit dem Rechtsanwalt Dr. Steffen Bunnenberg, Leiter des Arbeitskreises Reputationsrisikomanagement der Risk Management Association e.V. (RMA), über seine Erfahrungen im Umgang mit der Reputation sowie den Risiken und Chancen.
3grc.de: Blicken wir auf die Reputation vieler Organisationen, so scheint vielen Verantwortlichen ihr Tun und damit die mögliche negative Strahlkraft nach außen noch immer nicht klar zu sein. Mangelt es an Awareness oder woher kommt die „Blindheit“ möglichen Schaden im Vorfeld abzuwenden?
Dr. Steffen Bunnenberg: Viele haben die enorme Beschleunigung, die wir in der Kommunikation in den letzten Jahren wahrnehmen können, noch nicht auf sich selbst bezogen realisiert. Führen wir uns einmal die heutige Katastrophenberichterstattung vor Augen, sehen wir in welchem Tempo wir unterrichtet werden und wir selbst Informationen dazu suchen und konsumieren. Bei Facebook können Katastrophen jetzt beispielsweise live konsumiert werden, wie die Ermordung des französischen Polizistenpaares zeigt.
Es gibt ein sehr starkes Bedürfnis nach Unterrichtung in Echtzeit. Die Bewertung und die sorgfältige Zusammenstellung und Recherche der Hintergrundinformationen stehen nicht mehr im Vordergrund. Wichtiger sind Geschwindigkeit und jeder Teilaspekt, der berichtet werden kann. Jeder will Erster sein, egal wie belanglos das neue Detail ist. Die Entwicklung in der Kommunikation wird noch durch die Verlagerung der Geschäftsmodelle der Medien vom klassischen Printprodukt hin zur Online-Informationsquelle verstärkt. Dort zählen die Anzahl der Besucher und die Klicks auf die Beiträge und die Werbung. Es wird also nur der gewinnen, der am meisten Besucher auf seiner Internetseite sammeln kann und dies wird nur diejenige Seite sein, die als erstes das Informationsbedürfnis ihrer Leser befriedigen kann. Überträgt man diese Erkenntnisse auf die Welt der Skandale, kann es jedes Unternehmen und jeden Manager ebenso schnell wie eine Naturkatastrophe treffen. Es ist dann nicht nur ein Medium oder ein Verlag oder zwei Journalisten, die einem Skandal hinterherjagen, sondern alle Medien, alle Blogger und das gesamte Netz. Wenn man sich dies einmal bewusst gemacht hat, erkennt man auch die Notwendigkeit des Reputationsrisikomanagements.
3grc.de: Reputation und dessen Management muss von oben vorgelebt werden. Soweit so gut, aber was heißt das in der Praxis konkret? Und welche Stellhebel müssen Unternehmen und ihr Topmanagement bewegen, damit sich in puncto Reputation wirklich etwas Positives bewegt?
Dr. Steffen Bunnenberg: Es fängt mit der Kultur an. Ist in dem Unternehmen eine Angstkultur verbreitet, wird es früher oder später oder auch immer wieder zu Skandalen kommen. Die Mitarbeiter und Kunden werden ihren Unmut im Internet oder über die Presse äußern. Die Presse wird die Mutmaßungen, Verdächtigungen und Gerüchte dann dankend weiter verbreiten. Es muss aber nicht zwingend ein grundlegender Wandel notwendig sein. Es müssen nur alle vorhandenen Ressourcen richtig genutzt werden.
Wir arbeiten im Arbeitskreis zum Reputationsrisikomanagement unter anderem an einer umfassenden Checkliste, die einen ersten Einstieg in das Thema ermöglichen soll und die Einschätzung des Status quo für Unternehmen erleichtern wird. Ein gutes Reputationsrisikomanagement beginnt bei einer sorgfältigen Selbstreflexion und Selbsterkenntnis hinsichtlich der Markenstrategie und des Unternehmenswertes, geht über eine Pflege dieser Werte durch entsprechende Strukturen bis hin auch zur konsequenten rechtlich abgesicherten kommunikativen Verteidigung dieser Werte.
3grc.de: Es wird immer wieder geschrieben, dass der Mittelstand bei den Themen Risikomanagement und Compliance Nachholbedarf hätte. Ein Blick auf die täglichen Fälle der Korruptions-, Informationssicherheits- und Risikomanagementverfehlungen zeigt aber vielfach ein anderes Bild. Nämlich, dass vor allem große Unternehmen ihre Prozesse nicht im Griff haben. Wir erklären Sie sich das?
Dr. Steffen Bunnenberg: Für das Reputationsrisikomanagement gibt es keinen Unterschied zwischen dem Entwicklungsstand bei mittelständischen und bei den großen, ggf. an den Börsen gelisteten Unternehmen. Das Reputationsrisikomanagement hat sich, unabhängig von der Unternehmensgröße, erst in den letzten Jahren begonnen zu entwickeln.
3grc.de: Warum ziehen sich Organisationen bei Krisen immer wieder hinter die eigenen „Mauern“ zurück und begehen stets den gleichen Fehler, nämlich eine “Wagenburgmentalität“ mit Schweigen und Aussitzen der Krise aufzubauen?
Dr. Steffen Bunnenberg: Dieser Reflex ist ganz natürlich, weil die Reputationskrise ein Umstand ist, der nicht zum unternehmerischen Alltag gehört. Die enorme Aufmerksamkeit, die während einer Krise dem Unternehmen oder dem Management zu Teil wird, ist nichts, was Teil des täglichen Geschäfts ist oder auf das man von Hause aus vorbereitet ist. Deshalb gibt es Medien- und Krisentrainings. Noch besser ist es aber, wenn die Strukturen so aufgestellt sind, dass das Management schon zum Zeitpunkt einer möglichen ersten Berichterstattung den Sachverhalt so aufgearbeitet hat, dass dies der Presse entsprechend rechtlich kommunikativ abgesichert präsentiert werden kann und so eine falsche Richtung oder weitergehende Skandalisierung verhindert wird. Das ist das Ziel des Reputationsrisikomanagements: eben die Verwirklichung einer Reputationskrise zu verhindern.
3grc.de: Welche Hilfestellungen und Impulse können unabhängige Verbände, wie die RMA mit ihrem Expertenkreis Reputationsrisiken, Unternehmen für ein besseres Reputationsmanagement geben?
Dr. Steffen Bunnenberg: In dem Arbeitskreis versuchen wir einen Standard zu definieren, der jedem Unternehmen helfen soll, sich mit dem Einstieg in das Reputationsrisikomanagement einfach zu beschäftigen. Wir orientieren uns dabei an einer Vielzahl von Praxisbeispielen, aus denen wir Lehren ableiten, die ein Unternehmen vorbereiten sollen. Dabei ist von Vorteil, dass wir in dem Arbeitskreis branchenübergreifend und auch sogar „abteilungsübergreifend“ organisiert sind. Das Wichtigste bei diesem Thema ist ein interdisziplinäres Denken. So sprechen im Arbeitskreis Justiziare mit Kommunikatoren, das Marketing mit Strafverteidigern und Presserechtler mit Risikomanagern. Diese Kommunikation macht den Austausch und die Ergebnisse so einzigartig und wertvoll.
3grc.de: Haben Sie ein konkretes Beispiel für unsere Leser?
Dr. Steffen Bunnenberg: Leider nein. Ich bin leider von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet.
3grc.de: Erschwert die durchgängige Digitalisierung mit Meldungen und Kommentaren zu allem und in Echtzeit nicht ein fundiertes Reputationsrisikomanagement?
Dr. Steffen Bunnenberg: Nein. Wir müssen hier zwischen dem Krisenmanagement und dem Reputationsrisikomanagement unterscheiden. Das Krisenmanagement knüpft an die Krise an, d.h. dort gibt es oft schon eine unübersichtliche Zahl von Berichterstattungen. Die Digitalisierung in Echtzeit erschwert das Krisenmanagement enorm. Das Reputationsrisikomanagement knüpft aber an die Verwirklichung des Risikos an und versucht, eine Krise zu verhindern. Insofern ist die durchgängige Digitalisierung mit Meldungen und Kommentaren die Motivation, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
3grc.de: Nun müssen wir alle mit Fehlern und Risiken leben. Sonst wäre eine Geschäftstätigkeit nicht möglich. Haben Sie einige Eckpunkte, woran sich Unternehmen halten können, um Reputationsrisiken zu minimieren und für den Fall der Fälle gerüstet zu sein?
Dr. Steffen Bunnenberg: Auf jeden Fall möchte ich sensibilisieren, dass es die Möglichkeit gibt, sich auf solche Ereignisse vorzubereiten und Strukturen zu schaffen, die eine Kommunikation unmittelbar vor dem Krisenfall ermöglichen. Das Reputationsrisikomanagement gibt Geschäftsführern und Management zugleich Sicherheit vor einer nahenden Reputationskrise, weil sie den Sachverhalt zu dem Zeitpunkt idealerweise schon vollständig aufgearbeitet und erfasst haben. Sie wissen worüber sie reden, mehr als die Presse vielleicht an Informationen hat. So nimmt man der Presse und auch allen Bloggern und dem gesamten Netz den Wind aus den Segeln und kann ein Skandal verhindern.
Weitere Informationen unter:
http://www.rma-ev.org/Reputationsrisikomanagement.685.0.html
Dr. Steffen Bunnenberg ist Rechtsanwalt sowie Mediator
und Leiter des Arbeitskreises Reputationsrisikomanagement
der Risk Management Association e.V. (RMA)