Personalrisiken nehmen an Bedeutung zu…
Fachkräftemangel. Zu geringe Arbeitgeberattraktivität. Fehlendes Commitment und innere Kündigungen. Überalterung der Belegschaft. Unzureichende Nachfolgeplanung. Ein zunehmend volatiler Arbeitsmarkt. Und Mitarbeiter, die im Vergleich zu früheren Generationen emanzipierter, selbstbewusster und anspruchsvoller sind.
Dies sind nur einige Schlagworte, die einen Eindruck davon vermitteln, dass Personalrisiken sich immer mehr zu einem der bedeutendsten Risikofelder entwickeln.
…und werden zu wenig systematisch gemanagt
Während sich das unternehmensweite Risikomanagement in den vergangenen Jahren als fixer Bestandteil der Corporate Governance etabliert hat und praktisch alle großen Unternehmen unternehmensweite Risikomanagementsysteme implementiert haben, bleiben Personalrisiken im Unternehmen häufig zu wenig beachtet und angesichts der hohen Bedeutung der Humanressourcen für die Unternehmen zu wenig „gemanagt“.
Dafür gibt es verschiedene Gründe:
- Personalrisiken sind oft eher mittel- und langfristig wirksam, sie übersteigen damit den Betrachtungszeitraum typischer unternehmensweiter Risikomanagementsysteme.
- Personalrisiken gelten als schwer messbar und vielfach nur qualitativ bewertbar.
- Personalcontrolling – als Voraussetzung für Personalrisikomanagement – ist in vielen Unternehmen ein Stiefkind sowohl des HR-Managements als auch des Controllings. Zeitgemäßes Personalcontrolling ist aber eine wesentliche Voraussetzung, um überhaupt sinnvolles Personalrisikomanagement etablieren zu können. Im Personalcontrolling fehlen auch häufig klare Ziele, die als Aufsatzpunkte für die Identifikation von Risiken dienen könnten.
In der Folge setzen sich viele Unternehmen nur oberflächlich mit Personalrisiken auseinander und beschränken sich auf einige wesentliche Risiken, die leicht messbar und in der etablierten Systematik des unternehmensweiten Risikomanagements gut quantitativ bewertbar sind.
Für das Management der Personalrisiken ist dies aber zu wenig: Angesichts steigender Bedeutung der Human Resources ist eine intensivere, systematischere und besser in (HR-) Controlling und Strategie integrierte Auseinandersetzung mit Personalrisiken erforderlich.
Personalrisikomanagement ist Aufgabe des HR-Managements
Personalrisikomanagement sollte als eigener, spezifisch auf die Personalrisiken ausgerichteter Risikomanagementprozess aufgesetzt werden, der – zunächst entkoppelt vom unternehmensweiten Risikomanagement – als Teil des Personalmanagements und -controllings etabliert wird.
Folgende Risikofelder werden dabei betrachtet:
Engpassrisiko: Risiko fehlender Leistungsträger/Bewerber z. B. aufgrund mangelnder Arbeitgeberattraktivität, unklarem Employer Branding oder nicht marktgerechter Vergütung.
Austrittsrisiko: Risiko des Mitarbeiterverlusts aufgrund unzureichender Mitarbeiterbindung
Anpassungsrisiko: Risiko falsch/inadäquat qualifizierter Mitarbeiter, fehlende Flexibilität
Motivationsrisiko: Risiko demotivierter oder ausgebrannter Mitarbeiter
Integritätsrisiko: Risiko nicht integrer und loyal handelnder Mitarbeiter.
Das Personalrisikomanagement erfasst typischerweise eine größere Anzahl an Risiken als das unternehmensweite Risikomanagement. Auch die Methoden unterscheiden sich. Der Zugang des Personalrisikomanagements ist eher qualitativ und strategisch, mit Fokus auf Risikoanalyse und -steuerung, weniger auf systematische Risikobewertung, -aggregation und -berichtswesen.
Die folgende Abbildung bietet einen Überblick über die eingesetzten Instrumente in den Phasen des Personalrisikomanagement-Prozesses:
Die Verantwortung für das Personalrisikomanagement liegt klar beim Personalmanagement. Interne oder externe Risikomanagement-Spezialisten, dh. die zentralen Risikomanager oder auch externe Berater und Experten, sollten das Personalmanagement bei der Implementierung unterstützen. Darüber hinaus sind klare aufbau- und ablauforganisatorische Strukturen zu schaffen, um Entscheidungen über Risikosteuerungsmaßnahmen herbeizuführen und deren Umsetzung zu überwachen.
Fazit
Das Personalmanagement kann sich nicht darauf verlassen, dass die Personalrisiken im unternehmensweiten Risikomanagement identifiziert und gemanagt werden, sondern muss ein HR-spezifisches Risikomanagementsystem aufbauen. Die darin angewendeten Methoden sind – im Vergleich zum unternehmensweiten Risikomanagement – stärker qualitativ und strategisch auszugestalten und in HR-Strategie und HR-Controlling zu integrieren.
Weiterführende Literatur:
Kobi, Jean-Marcel: Personalrisikomanagement, 3. Auflage 2012
Dr. Karin Exner, Senior Advisor Strategy, Contrast EY Management Consulting, Lehrgangsleiterin Certified Corporate Risk Management, Controller Institut.