Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der WEF-Studie „The Future of Jobs“ – Unsere Arbeitswelt in Zeiten von Industrie 4.0
In der letzten Woche hat das Weltwirtschaftsforum „WEF“ – nach 2016 – mit „The Future of Jobs“ eine neue und aktuelle Untersuchung zur Zukunft unserer Arbeitswelt vorgestellt. Die Experten beschäftigten sich mit der Fragestellung: Wie werden sich unsere Arbeitsplätze durch Digitalisierung und Automatisierung in den nächsten fünf Jahren verändern? Wie gestaltet sich unsere Arbeit in der Welt der „Industrie 4.0“?
Die schlechte Nachricht zuerst: rund 75 Millionen Arbeitsplätze könnten bereits bis 2022 wegfallen. Die gute Nachricht: gleichzeitig sollen in diesem ca. 133 Millionen Arbeitsplätze neu geschaffen werden.
Trotzdem werden wir uns auf drastische Veränderungen einstellen müssen, denn die Qualifikationen und Fachkenntnisse, die zukünftig gefragt sind, unterscheiden sich grundlegend von den heutigen Anforderungen und müssen von vielen Arbeitnehmern erst noch erlangt werden. Diese Flexibilität in „inhaltlicher und geographischer“ Einsetzbarkeit stellt für viele Menschen jedoch eine große Herausforderung dar.
Der Bericht kommt zu den folgenden zentralen Erkenntnissen:
- Treiber für den Wandel sind die folgenden vier Technologien: allgegenwärtiges, mobiles Hochgeschwindigkeits-Internet, künstliche Intelligenz, weitverbreitete Big Data Analysen, Cloud-Technologie. Diese Entwicklungen versprechen ein hohes Geschäftswachstum im betrachteten Zeitraum 2018-2022.
- Neue Technologien werden viel schneller eingeführt als bislang – das zeigen die Investitionsplanungen der befragten Unternehmen. 85% der Teilnehmer gaben an, ihre Investitionen in den Bereichen User und Big Data Analysen deutlich zu erhöhen. Hinzu kommen der fortschreitende Einsatz des „Internet der Dinge“ sowie vermehrt auch die Erschließung von App- und Web-basierten Märkten. Ähnliche Entwicklungen werden für die Bereiche maschinelles Lernen und virtuelle Realitäten erwartet.
- Trends in der Robotik werden von den einzelnen Industrien unterschiedlich stark aufgenommen. Dabei werden stationäre Roboter in allen Industriezweigen eher eingesetzt als humanoide Roboter, wobei diese wiederum vermehrt in der Finanzdienstleistungsbranche Anwendung finden.
- Die Produktions- und Vertriebsprozesse werden sich an veränderte geographische Anforderungen orientieren. Für knapp dreiviertel der befragten Unternehmen stellt lokales, hochqualifiziertes Personal zukünftig den ausschlaggebenden Grund bei Standortentscheidungen dar. Eine Reihe von zusätzlichen Faktoren wie z.B. die Flexibilität des lokalen Arbeitsrechts, industrielle Ballungsräume oder die Nähe zu Rohstoffen hingegen treten bei dieser Entscheidung in den Hintergrund.
- Die Art des Beschäftigungsverhältnisses wird sich drastisch verändern. Laut „The Future of Jobs“ geht die Hälfte der befragten Unternehmen davon aus, dass ihre Mitarbeiterzahl sich in den nächsten vier Jahren reduziert. Hingegen gaben knapp 40% an, sie wollten die Anzahl ihrer Vollzeitbeschäftigen erhöhen. Und mehr als ein Viertel der Befragten plant mit einem Personalanstieg grade aufgrund der fortschreitenden Automatisierung. Dabei setzen die Unternehmen darauf, deutlich mehr Auftragnehmer projekt- und aufgabenbezogen hinzuzuziehen, Prozesse stärker zu dezentralisieren und Mitarbeiter flexibler einzustellen, so dass deren Einsatz unabhängig von Bürostandorten möglich ist.
- Immer mehr Arbeit wird von Maschinen übernommen. Werden heute noch 71% aller Arbeiten von Menschen durchgeführt, so sinkt dieser Anteil bis 2025 auf 48% und mehr als die Hälfte der verfügbaren Tätigkeiten werden dann von Maschinen erledigt.
- Insgesamt werden im Betrachtungszeitraum mehr Jobs entstehen als wegfallen. Jedoch bleibt etwa die Hälfte der heutigen „Kernjobs“, die den Hauptanteil der Beschäftigung über alle Industriezweige darstellen, bis 2022 stabil. Die Studie geht von einem Nettozuwachs von 58 Millionen Arbeitsstellen aus.
- Der Bericht zeigt auf, dass sich insbesondere im Bereich der kaufmännischen Verwaltungs- und Sachbearbeitertätigkeiten die Anzahl der Stellen deutlich reduzieren wird. Gesucht werden hingegen vor allem Mitarbeiter in der Datenanalyse, Wissenschaft, Softwareentwicklung, E-Commerce sowie Big Data und Social-Media Experten. Aber auch Mitarbeiter mit „human skills“ werden vermehrt gesucht, so bspw. in den Bereichen Kundenservice, Vertrieb und Marketing, Fortbildung und Entwicklung, Menschen und Kulturen, Organisationsentwicklung und Innovationsmanagement.
- Die Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter verschiebt sich in einem nie dagewesenen Maß. Grund hierfür sind die fortschreitende Technologisierung und Maschinisierung der Arbeitswelt und die daraus resultierenden Veränderungen.
- Industrie 4.0 macht permanente Weiterbildung für alle Arbeitnehmer zur ständigen Pflicht. Bis 2022 benötigen nicht weniger als 54% aller Arbeitnehmer erhebliche Verbesserungen und Erweiterungen ihrer Fähigkeiten. Die Dauer dieser Umschulungen und Weiterbildungsmaßnahmen kann von 6 Monaten (ca. 35% der Mitarbeiter) bis hin zu 1 Jahr (ca. 10% der Mitarbeiter) in Anspruch nehmen. Im Fokus stehen dabei die technologischen Kompetenzen genauso wie Kreativität, Originalität, Initiative, kritisches Denken, Überzeugung- und Verhandlungsgeschick und die Fähigkeit, komplexe Probleme zu erkennen und zu lösen.
- Unternehmen müssen ihre Strategie anpassen, wie sie auf das zukünftige Qualifikationsdefizit der Mitarbeiter reagieren. Ihnen stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung: neues Personal einstellen, das die benötigten Fähigkeiten bereits besitzt; die betreffenden Aufgaben komplett automatisieren; eigene Mitarbeiter qualifizieren. Allerdings sind rund ein Viertel der Unternehmen derzeit nicht bereit, ihren Mitarbeitern entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten. Zudem geht ein Drittel der Befragten davon aus, dass die Arbeitnehmer die erforderlichen Kenntnisse im Laufe der Zeit eigenständig erlernen.
- Im Fokus für Weiterbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen stehen bei mehr als der Hälfte der Unternehmen nur Mitarbeiter in Schlüsselpositionen, die sich mit strategischen Unternehmensfragen beschäftigen oder direkt mit der Umsetzung neuer Technologien beauftragt sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass genau die Mitarbeiter, die eine Qualifizierungsmaßnahme am dringendsten benötigen, diese wahrscheinlich nicht erhalten werden.
Was bedeuten diese Erkenntnisse für unsere Unternehmen? Die Studie stellt fest, dass sich die Veränderungen in der Arbeitswelt beschleunigen und sich das Fenster für ein proaktives Management der damit verbundenen Herausforderungen sehr schnell schließt. Wirtschaft, Regierungen und Arbeitnehmer müssen vorausschauend handeln und eine neue Vision des globalen Arbeitsmarkts in Zeiten von Industrie 4.0 aufbauen.
Für Unternehmen wird es sich auszahlen, wenn sie bereits jetzt in die Qualifikationen ihrer Mitarbeiter in Bezug auf neue Technologien und der „Vierten Industriellen Revolution“ investieren. Diese Maßnahmen sollten nicht nur auf die Schlüsselpositionen begrenzt sein, sondern möglichst einem breiten Mitarbeiterstamm zugutekommen. Nur so können Wettbewerbsvorteile entstehen, die sich dann auch in einer höheren Attraktivität der Firmen im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter niederschlägt.
Zudem bietet die Möglichkeit, auf einen ausreichend qualifizierten Mitarbeiterpool zurückzugreifen, eine Chance für Unternehmen, sich als Organisation neu zu positionieren und so besser für den ständigen und immer schneller werdenden Wandel gewappnet zu sein. Auch konventionelle Industrien sollten angesichts der zunehmenden Bedeutung von Talentplattformen und Online-Mitarbeitern darüber nachdenken, wie sie diese Entwicklungen gewinnbringend in ihre Organisationsstruktur einbinden können.
Die Regierungen sind in der Verantwortung, ihre Bildungspolitik auf die Anforderungen der Industrie 4.0 so anzupassen, dass Weiterbildungsmaßnahmen in den Bereichen Wissenschaften, Technologie, Ingenieurswesen und Mathematik sowie nicht-kognitive Soft-Skills für alle Bürger möglich sind. Das beginnt bereits mit der Abstimmung der Lehrpläne in den Schulen und Universitäten oder der Fortbildung von Lehrern. Zudem sollten Anreize geschaffen werden, damit qualifizierte Arbeitsstellen im Inland entstehen. Dadurch werden Produktivitätssteigerungen möglich, die wiederum in höhere Steuereinnahmen münden. Diese Gelder könnten dann für die Unterstützung von Menschen eingesetzt werden, die sich nicht so schnell an die Umwälzungen im Arbeitsmarkt anpassen können.
Arbeitnehmer werden sich daran gewöhnen müssen, dass sie persönlich für ihr lebenslanges Lernen und ihre Karriereplanung verantwortlich sind. Schon heute ist es offensichtlich, dass viele dabei von staatlichen Stellen unterstützt werden müssen, um die notwendigen Qualifikationen zu erlangen, die eine Teilnahme an der Arbeitswelt von morgen ermöglichen. Ob man in diesem Zusammenhang noch einmal über das bedingungslose Einkommen diskutiert oder eine abgewandelte Idee in Form eines „individuellen Budgets für universelles und lebenslanges Lernen“ ins Gespräch bringt, wird sich in den nächsten Jahren sicher zeigen. Hier wird jedes Land seine eigene Lösung in Abhängigkeit von den lokalen politischen Strömungen, der jeweiligen Wirtschaftskraft und den sozialen Rahmenbedingungen finden.
Unabhängig von diesen Bemühungen stellt die Studie als übergeordnetes Ziel für alle Beteiligte fest, dass die Jobs der Zukunft fair vergütet werden müssen, ein respektvoller und anständiger Umgang mit den Arbeitnehmern zu gewährleisten ist und ein realistischer Spielraum für persönliches Wachstum, Entwicklung und Erfüllung geboten werden muss.