Das Risikomanagement ist auf dem Vormarsch. Gerade die aktuelle COVID-19-Krise beweist wie entscheidend die Bewertung von Risiken ist. Avanciert nun der Beruf des Risikomanager zum “Hot Job” der Zukunft? Wir werfen einen Blick in die Kristallkugel.
Risk Management – ein kritischer Blick auf die Vergangenheit
Die Entwicklung des Risikomanagements in vielen Unternehmen wird vielfach durchaus kritisch betrachtet: Im Zentrum würde oftmals nur eine Art “Risikobuchhaltung” stehen, das heißt es geht lediglich um die Verwaltung einer Liste von vermeidbaren, internen Risiken. Dabei würden wichtige, strategische Risiken häufig ausgeblendet und der Fokus liege auf Risikoreporting und Compliance, nicht aber auf Risikosteuerung.
War Risikomanagement daher in vielen Unternehmen in der Vergangenheit ein “Bullshit Job” (vgl. Graeber 2018)? Ein Job, der prestigeträchtig und verantwortungsvoll klingt, und in der Regel ganz gut bezahlt ist, gleichzeitig aber in vielen Fällen so zahnlos, dass selbst die, die ihn ausüben, nicht seiner Sinnhaftigkeit überzeugt sind?
In manchen Unternehmen möglicherweise ja.
Risk Management in der COVID-Krise – aktuelle und bevorstehende Herausforderungen
Mit der Coronakrise scheint sich das Rollenbild der Risikomanager jedoch plötzlich zu ändern: “Risikomanager ist nun ein heißer Job” – konnte man unlängst in einem “Bloomberg”-Artikel lesen: Die Pandemie habe das Berufsfeld ins Rampenlicht katapultiert, und das Risikomanagement habe in der Krise die volle Aufmerksamkeit der Vorstände und Aufsichtsräte.
Tatsächlich war und ist die Krise für viele Risikomanager eine spannende Zeit mit zahlreichen Herausforderungen: Schon seit Februar sind viele Risikomanager mit Ad-hoc-Berichten zu den Auswirkungen der COVID-Krise auf das eigene Unternehmen stark gefordert. Durch die hohe Unsicherheit der Entwicklungen war bei diesen Berichten eine Integration von Risikomanagement und Controlling gefragt. Auch der reguläre Risikomanagement-Prozess ist durch die Krise besonders herausfordernd. Risikomanager sind gefordert, im Standardberichtswesen sinnvoll mit der Pandemie umzugehen. Am besten gelingt dies durch einen Risikobericht mit klarem Bezug zur Ergebnisrechnung, eine Art “Bandbreitenplanung”, die die Wirkung der Krise auf die Steuerungsgrößen des Unternehmens systematisch abbildet.
Eine vielfach noch bevorstehende Herausforderung ist das Risikoberichtswesen im Lagebericht. Hier gilt es, Risiken infolge der COVID-Krise separat darzustellen, zu beschreiben und zu bewerten, sowie Maßnahmen zur Risikobewältigung zu beschreiben und zu beurteilen. Insbesondere ist auf bestandsgefährdende Risiken einzugehen.
(Neu-)Positionierung als Chance – was jetzt gefragt ist
Unternehmen sollten die Chance nutzen, das Risikomanagement in und nach der Krise neu zu positionieren. Dafür sind Risikomanager gefragt, die neben einem tiefen Verständnis des Unternehmens und des Geschäftsmodells auch ein umfangreiches fachliches und persönliches Skillset haben. Ein ausgeprägtes Controlling-Know-how ist ein wichtiges Asset, um die Integration mit Planung und Reporting gut gestalten zu können. Das einsetzbare Risikomanagement-Instrumentarium sollte über die die traditionellen Methoden (Risk Maps) wesentlich hinausgehen und Statistik, Risikomodellierung, und Methoden wie bspw. Tail-Risk-Analysen, Stress-Testing, Szenarioanalyse und War-Gaming umfassen. Gefordert ist hier neben der Beherrschung des Instrumentariums ein Risikomanager, der die Rolle des Advocatus Diaboli beherrscht.
Zusätzlich ist eine gewisse Hands-on-Mentalität und auch eine hohe IT-Affinität erforderlich. Der Risikomanager muss in der Lage sein, existierende Annahmen der Manager zu hinterfragen und Risikoinformation auf Augenhöhe mit dem Management zu diskutieren.
Die Unternehmensführung ist gefordert, das Risikomanagement im Unternehmen entsprechend zu positionieren, um die oben dargestellte Risikomanagement-Rolle auch zuzulassen. Dies ermöglicht eine offene, interaktive Auseinandersetzung über die Risikosituation des Unternehmens. Nur so kann Risikomanagement im Unternehmen wirksam werden.
Dr. Karin Exner ist Senior Advisor Strategy bei Contrast EY Management Consulting in Wien und leitet den Lehrgang Certified Corporate Risk Management, beim Controller-Institut, Wien