Seit 1997 regeln die Gesetze zur sog. Business Judgement Rule (BJR) in Deutschland die persönliche Haftung von Geschäftsführern und Vorständen. Das ist eine sehr lange Zeit und trotzdem wurden erst jetzt durch die Präzisierung der Rechtssprechung zentrale Begriffe geklärt, aus denen konkrete Anforderungen an die Vorbereitung von „unternehmerischen Entscheidungen“ abgeleitet werden können. Dabei versteht man unter „unternehmerischen Entscheidungen“ diejenigen Entscheidungen eines Vorstands oder Geschäftsführers, die unter Unsicherheit getroffen werden – es also nicht eindeutig vorherzusagen ist, wie eine Strategie, eine Maßnahme, ein Projekt sich auf den Ertrag des Unternehmens auswirkt.
Der Gesetzgeber verlangt in solchen Situationen, dass sich die Unternehmensführung auf Entscheidungsvorlagen stützt, die die entscheidungsrelevanten Informationen in angemessenem Umfang enthalten. Dazu zählt, dass die Entscheidungsvorlagen nachvollziehbar und neutral alle relevanten Handlungsempfehlungen aufzeigen und insbesondere die damit verbundenen Chancen und Gefahren (Risiken) benennen. Zudem muss der Entscheidungsprozess sich an geeigneten betriebswirtschaftlichen Methoden der Entscheidungsfindung orientieren.
Dabei stellt der Gesetzgeber klar, dass keine Unternehmensführung für „Pech“ haftet. Unternehmerisches Handeln ist immer mit Risiken verbunden. Um unternehmerische Chancen zu realisieren müssen Vorstände bzw. Geschäftsführer Risiken eingehen. Es liegt in der Natur der Dinge, dass diese Risiken auch eintreten können, mit den entsprechenden Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis. Von einer sorgfältigen Geschäftsführung wird allerdings verlangt, dass bereits vor einer unternehmerischen Entscheidung die damit verbundenen Risiken betrachtet und die Entscheidung basierend auf „angemessenen Informationen“ getroffen wird.
Die Anforderungen an die Vorbereitung von unternehmerischen Entscheidungen werden mittlerweile durch die Präzisierungen in der Rechtsprechung sowie seit Ende 2018 durch den Revisionsstandard Nr. 2 des Deutschen Instituts für interne Revision klar geregelt – mit den entsprechenden Konsequenzen bzgl. Sorgfaltspflicht und persönlicher Haftung von Vorstand und Geschäftsführung. In Deutschland liegt die Beweislast immer beim Vorstand, d.h. der Vorstand muss nachweisen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung alle relevanten Informationen berücksichtigt wurden. Dies gilt auch, wenn der Aufsichtsrat zustimmt.
Entscheidungen unter Unsicherheit benötigen Informationen über die einzugehenden Risiken und deren Auswirkungen auf die Unternehmensziele. Das macht eine Verknüpfung zwischen Risikomanagement und Controlling unabdingbar. Eine grundlegende Voraussetzung für nachvollziehbare Entscheidungsvorlagen ist die Darstellung der Ausgangssituation und Zielsetzung der Entscheidung sowie alternativer Handlungsoptionen, eine Prognose der geplanten Auswirkungen der Entscheidung, die zugrundeliegenden Annahmen und die mit der Entscheidung verbundenen Chancen und Risiken. Die Prognosen sollen „erwartungstreu“, also „im Mittel“ realisierbar sein, was wiederum die Betrachtung von Chancen und Risiken erfordert – dies erfordert eine quantitative Risikoanalyse. Zudem soll die Wirkung der Entscheidung auf Ertrag und Risiko des Unternehmens abgewogen werden, also z.B. eine Investition risikogerecht bewertet werden. Aus diesen Anforderungen lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen für Vorstände und Geschäftsführer ableiten. Diese reichen von Checklisten mit Mindestinhalten von unternehmerischen Entscheidungen über Mustervorlagen und einer Liste von „unternehmerischen Entscheidungen“ bis hin zu deren Archivierung und der aktiven Weiterentwicklung von Managementsystemen zur Erstellung von Entscheidungsvorlagen mit „angemessenen Informationen“.
Die Einbeziehung des Risikomanagements bei der Erstellung von Entscheidungsvorlagen trägt somit maßgeblich dazu bei, dass Vorstände und Geschäftsführung ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und diese bei Bedarf belegen können.
Der ausführliche Beitrag stammt aus der Zeitschrift CFO aktuell vom Linde Verlag. Den Beitrag finden Sie zum Download hier.

Prof. Dr. Werner Gleißner ist Honorarprofessor an der Technischen Universität Dresden (Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Risikomanagement) und Vorstand der Future Value Group AG, Leinfelden-Echterdingen.
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