Interviewpartner: Prof. Dr. Bruno Brühwiler
Funktion: Geschäftsführer
Unternehmen: Euro Risk Limited, Zürich
Website: http://www.eurorisk.ch/
Interviewpartner: Prof. Dr. Josef Scherer
Funktion: Professor für Wirtschaftsprivatrecht und Unternehmensrecht
Unternehmen: Technische Hochschule Deggendorf
Website: https://www.th-deg.de/de/bwl-wi
Das Thema Compliance bekommt einen immer größeren Stellenwert in Deutschland. Was sind aus Ihrer Sicht die Kernanforderungen an ein effektives Compliance Management System?
Prof. Dr. Scherer: Der „Tone from the Top“, das heißt, dass das Top-Management hinter den Compliance Management Aktivitäten steht und sie aktiv vorlebt. Ebenso die Kultur-Awareness auf Seiten der Mitarbeiter, also dass ein Bewusstsein innerhalb des Unternehmens für Compliance Anforderungen vorhanden ist. Außerdem sind die Angemessenheit und Wirksamkeit entscheidend.
Ist es sinnvoll, die Bereiche Risikomanagement und Compliance Management im Unternehmen zusammen zu fassen oder sollten diese besser getrennt voneinander organisiert sein?
Prof. Dr. Brühwiler: Risikomanagement und Compliance Management sind nicht dasselbe, es gibt jedoch große Überschneidungen zwischen diesen beiden Gebieten. Non-Compliance ist immer Risiko, Risiko hat aber nicht immer mit Compliance zu tun. Risikomanagement ist im Grunde genommen weiter gefasst und arbeitet mit speziellen Methoden und Prozessen. Diese können auch im Compliance Management angewendet werden.
Auch die für beide Disziplinen erforderlichen Kompetenzen sind etwas unterschiedlich. Der Risikomanager kommt eher aus dem Bereich der Betriebswirtschaft und der Management-Lehre, der Compliance Manager braucht ein starkes juristisches Werkzeug.
Damit ist auch die Organisationsform angesprochen: Die Kompetenzen müssen vorhanden sein, dann kann man Risikomanagement, Compliance Management oder eben Risiko- und Compliance Management als Organisationseinheit bilden, wenn denn überhaupt eine gewisse Größe der Organisation gegeben ist.
Die TH Deggendorf bietet jetzt eine Ausbildung “Master Risiko- und Compliance Management” an. Was unterscheidet diesen Studiengang von anderen Ausbildungsmöglichkeiten?
Prof. Dr. Scherer: Der Studiengang behandelt sämtliche Unternehmensfunktionen und nicht ausschließlich einen einzelnen Bereich. Er ist standardorientiert (Anlehnung an ISO 31000 und ONR 49000). Die hochrangigen Dozenten sind Koryphäen in ihrem Wissensgebiet.
Sie legen im Rahmen dieses Masters großen Wert auf Anwendungsorientierung und Praxisbezug. Zudem können die Studienarbeiten zu Themen aus dem eigenen Unternehmen geschrieben werden, was diesem einen direkten Wertbeitrag liefern kann. Auch dass beispielsweise stochastische Szenarioanalysen thematisiert werden ist ein großer Mehrwert für die Teilnehmer und deren Unternehmen.
Welchen Herausforderungen müssen sich die Risiko- und Compliance Management-Beauftragten mittlerweile in den Unternehmen stellen?
Prof. Dr. Brühwiler: Auch wenn Risiko- und Compliance Management in der betrieblichen Wirklichkeit als Stabsstelle (oder Beauftragten) geführt wird, ist unerlässlich, dass Kompetenzen und Persönlichkeiten es ermöglichen, mit dem Vorstand auf „Augenhöhe“ zu sein. Das sind keine subalternen Funktionen, sondern Fach-Führungspositionen erster Ordnung, etwa gleichwertig mit Unternehmensentwicklung oder etwa Controlling.
Gibt es im Bereich Risiko- und Compliance Management unterschiedliche Ansätze zwischen den privatwirtschaftlichen Unternehmen und öffentlichen bzw. gemeinnützigen Organisationen?
Prof. Dr. Brühwiler: Das Risiko- und Compliance Management zwischen privater Wirtschaft und öffentlichem Bereich unterscheidet sich wenig. Allerdings gibt es kaum erprobte Beispiele. Ein beachtliches ist aber die Schweizer Bundesverwaltung, wo es eine von der Bundespräsidentin erlassene Weisung zur Risikopolitik des Bundes gibt, ein Handbuch Risikomanagement und bis heute ca. 150 ausgebildete Risikomanager oder Risikocoaches. Dieses Vorbild wird im Studiengang an der TH Deggendorf auch auf der Grundlage meiner intimen Kenntnisse dieses weltweit einzigartigen Musterbeispiels thematisiert.
Ein kurzes Statement zum Schluss:
Prof. Dr. Brühwiler: In den letzten 10 Jahren hat das Risiko- und Compliance Management stetig an Bedeutung gewonnen, wenn auch nicht explosionsartig. Dieser Trend wird sich in Deutschland fortsetzen, ebenfalls kontinuierlich und nicht euphorisch, weil diese Disziplinen einen hohen Anspruch an die oberste Führung von Unternehmen und Organisationen und an die Fach-Führung in Risiko- und Compliance Management stellen.