Krisenstabstraining innerhalb einer kritischen Infrastruktur bei einem Unternehmen der Energieversorgung
Krisenstäbe und Einsatzleitungen von “Blaulichtorganisationen” üben den Ernstfall zur Beherrschung einer Lage in häufigen Abständen. Aufeinander eingespielte Mitglieder von Stäben mit erprobten Prozessen und Verfahren sind Erfolgskriterien der Krisenstabsarbeit mit dem Ziel schnell “vor die Lage zu kommen”. Wechselnde personelle Zusammensetzungen, abhängig von Anforderungen und Verfügbarkeit der Personen sowie die jeweiligen spezifischen Anforderungen und Rahmenbedingungen der Situation machen jeden Einsatz der Krisenstabsorganisation einzigartig. Eine besondere Herausforderung stellt dies für Unternehmen und Organisationen dar, bei denen das Krisenmanagement eine sehr seltene Ausnahmesituation darstellt und häufig maximal ein Mal im Jahr im Rahmen einer Krisenstabsübung trainiert wird. Umso wichtiger für ein gutes Krisenmanagement sind gut aufeinander eingespielte Personen und Teams sowie definierte Rollen, Prozesse und Verfahren.
Diese Anforderungen gelten insbesondere auch für Unternehmen die für die Versorgungssicherheit in Deutschland eine entscheiden Rolle spielen. Das sind u.a. Betreiber kritischer Infrastruktur in der Energieversorgung, Betreiber von Energieanlagen und Betreiber von Energieversorgungsnetzen.
Matthias Hämmerle (haemmerle-consulting) und Uwe Höring (hzp-consulting) haben im vergangenen Jahr 2017 einen Energieversorger bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung eines Krisenstabstrainings begleitet. Anhand dieses Praxisbeispiels wird nachfolgend die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines Krisenstabstrainings dargestellt.
Ziel des Krisenmanagementtrainings war das Auffrischen der Kenntnisse der Mitglieder von Krisenstab und Einsatzleitung im Krisenmanagement sowie die Optimierung bereits zuvor etablierter Krisenmanagementmethoden und -verfahren. Als Übungsform wurde bewusst das Training ausgewählt. Das Training sieht, im Gegensatz zu einer Übung, die Interaktion mit den Trainern während des Übungsablaufs vor. Dieses direkte Feedback im Training ermöglicht unmittelbare Lerneffekte bereits während des Trainingsverlaufs und bereitet so effektiv auf die Durchführung einer Übung vor.
Der aufwändigste Teil des Krisenstabstrainings besteht in einer guten Vorbereitung und Planung. Hierzu gehört die Erstellung des Drehbuchs mit Ausgangsszenario und Einspielern. Das gewählte Ausgangs-Szenario muss realistisch sein, alle Teilnehmer einbinden und herausfordern, aber auch noch beherrschbar bleiben.
Bei einem Energieversorgungsunternehmen liegt ein “Blackout-Szenario”, das heißt ein großflächiger langanhaltender Stromausfall im Versorgungsgebiet nahe. Ein derartiges realistisches Szenario zu konstruieren, das von den Fachspezialisten realistisch bespielt werden kann, stellt für Laien in der Technik der komplexen Stromversorgung eine gewisse Herausforderung dar. Die Auseinandersetzung mit allen Ebenen der Stromversorgung über Erzeugung, Leitungen, Umspannstationen und Leitstellen zur Steuerung standen daher am Anfang der Entwicklung des Trainings. Erschwerend kam hinzu, dass die Fachspezialisten nicht einfach befragt werden konnten, denn sie waren ja Teil des Trainings und sollten das Szenario nicht zuvor aus den Gesprächen heraus erahnen können. Schritt für Schritt wurden Szenarien und Einspielungen auf der Basis von Expertengesprächen, Ortsbegehungen und Recherchen entwickelt und mit dem unternehmensinternen Trainingsleiter abgestimmt. Dies war im Unternehmen die einzige Person, die die Inhalte des Trainings zuvor kannte.
Als Ergebnis der Trainingsvorbereitung stand dann das Drehbuch mit Ausgangsszenario und Einspielungen für Technik, IT, Personal und Presse / Öffentlichkeit. Eine Begehung der Räumlichkeiten für den Krisenstab und Einsatzleitung rundeten die Vorbereitungen ab. Geprüft wurde, ob alle Personen auch im Notfall Zutritt in den Sicherheitsbereich haben, Präsentations- und Kommunikationstechnik einsatzbereit und Moderationsmaterial mit vorgefertigten Templates verfügbar waren. Zur Not muss es auch ohne die umfangreiche penibel vorbereitete Technik gehen können. Aber das ist dann Thema eines weiteren Trainings.
Das Training mit etwa 20 Teilnehmern aus Krisenstab und Einsatzleitung begann mit einer Einweisung durch die interne und externe Trainingsleitung. Jedes Training hat, wie auch eine Übung, gewisse Übungskünstlichkeiten, mit denen die Teilnehmer umgehen müssen. Zudem gibt es Regeln, die verhindern, dass aus der Übung Ernst wird. Zum Beispiel durch unbedachte Anrufe von nicht in die Übung eingebundene Kollegen. Ein kurzer Vortrag zu den persönlichen Erfahrungen aus einem Krisenfall stimmte die Teilnehmer in das Training ein.
Die Trainer haben mehrere Aufgaben. Sie leiten mit den Einspielungen durch das Training, sind Beobachter und Protokollant und zugleich Ansprechpartner bei unklaren Situationen. Wie der Fußballtrainer am Spielfeldrand spielen die Trainer nicht direkt mit, steuern aber durch Hinweise und Feedback. In einer Simulation fällt diese Steuerungsaufgabe weg.
Bei einem Training mit über 20 Teilnehmern in mehreren Räumen ist ein eingespieltes Trainerteam aus mindestens zwei Trainern notwendig. Das Training war für einen Vormittag angelegt und wir hatten keine ruhige Minute.
Im direkten Anschluss an das Training erfolgte eine Feedbackrunde mit den Teilnehmern. Was ist gut gelaufen, was kann aus Sicht der Teilnehmer optimiert werden?
An das Training folgte dann die ausführliche Analyse auf Basis der Aufzeichnungen durch die externe und interne Trainingsleitung sowie die Erstellung des Ergebnisberichts zur Dokumentation des Ablaufs und der Erkenntnisse für die Nachverfolgung.
Eine wichtige Erkenntnis: Üben, üben, üben. Denn nur Übung macht den Meister!
Das Trainieren und Üben liegt Uwe Höring im Blut. Im Vierer-Bob hat er es während seiner aktiven Sportkarriere bis zum Europameister und zum Olympia- Teilnehmer gebracht. Seine Erfahrung aus dem Hochleistungssport bringt er heute in den Themenfeldern Management-Coaching, Business Continuity- und Krisenmanagement ein.
Matthias Hämmerle ist dagegen beim Hobbysport geblieben und beschäftigt sich neben dem Joggen seit vielen Jahren mit den Themen Business Continuity Management, Krisenmanagement und Informationssicherheit.
Gemeinsam bereiten sie ihre Kunden in Trainings auf die Bewältigung kritischer Ereignisse vor.