Ein Interview mit Frank Lohse, Geschäftsführer der CENARIO solutions GmbH
Die Anschläge in München, Ansbach oder auch in Nizza stellen die Einsatzkräfte vor immense Herausforderungen. Wie wichtig sind in diesen Situationen die Kommunikationswege zwischen den Kräften vor Ort und der Einsatzzentrale?
Nun, die Kommunikationswege sind in solchen Situationen extrem wichtig. Stellen Sie sich vor, es müssen hunderte von Einsatzkräften koordiniert und geführt werden. Alle Beteiligten stehen unter äußerster Anspannung, sind Stress und Zeitnot ausgesetzt und es besteht Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen.
Da ist es von immenser Bedeutung, dass einerseits die Einsatzkräfte vor Ort ganz klar die allgemeine Lage sowie ihre Aufgaben kennen und andererseits die oberste Führungsebene weiß, wie der Stand an den jeweiligen Einsatzstellen ist.
Zudem müssen bei dieser Art von Krisensituationen die Entscheidungen und auch deren Herleitung genau dokumentiert werden. Damit entsteht Sicherheit für alle Beteiligte während der Situation als auch im Nachgang, falls Entscheidungen für externe Dritte wie z.B. die Staatsanwaltschaft nachvollziehbar aufbereitet werden müssen.
Welche Möglichkeiten gibt es, die Kommunikationswege in einer Notfall- und Krisensituation zu gestalten?
Selbstverständlich gibt es mit Hilfe der modernen Kommunikationsmittel eine Vielzahl von Möglichkeiten: angefangen bei eMail, Telefon und Fax über Whats-App-Gruppen bis hin zu professionellen Software-Lösungen. Welche Lösungen Anwendung finden liegt im Ermessen des Unternehmens und diese werden auch, je nach Eignung und Zweck, für die jeweilige Aufgabe bzw. die organisatorische Nutzungsschicht eingesetzt.
Meist erweisen sich vereinfachte Lösungen bei einer wirklichen Krise als untauglich. Wenn Sie in einem weltweit agierenden Unternehmen alle Beteiligten zeitgleich und abhörsicher informieren wollen, stoßen Kommunikationssysteme über Telefon, Handy oder per eMail sehr schnell an ihre Grenzen. Wer sich solchen Lösungen anvertraut geht ein erhöhtes bzw. unkalkulierbares Risiko ein.
Ziel eines Kommunikationssystems muss es sein, alle relevanten Informationen einfach zugänglich und trotzdem sicher an einer zentralen Stelle zu sammeln. Nur so kann vermieden werden, dass Informationen verschwinden oder aufgrund von mangelndem Datenschutz plötzlich nach Außen dringen.
Aber egal für welche Alternative man sich entscheidet, wichtig ist, dass die Kommunikationswege und deren Nutzung VOR einer Krise auf jeden Fall klar geregelt sind. Dabei gilt, je detaillierter desto besser.
Können Sie den Prozess schildern vom Eingang einer Notfallmeldung bis hin zur erfolgreichen Koordination der Einsatzkräfte vor Ort?
Zunächst wird ein Führungsstab gebildet. Die Mitglieder werden via einem Benachrichtigungssystem einberufen und treffen dann im Lagezentrum nach und nach ein. Parallel werden Instanzen wie das Kommunikationszentrum, ggf. Call-Center etc. hochgefahren und personell besetzt. Diese Personen können sich sowohl im Lagezentrum als auch außerhalb (z.B. weitere Behörden, extern eingebundene Stabsbereiche, Auslandsniederlassungen) befinden, ggf. werden sie bei einer länger andauernden Lage stetig ausgewechselt.
Während das Lagezentrum in Betrieb geht, werden das Krisenmanagementsystem (KMS) aktiviert und die ersten Lageeinträge generiert, welche die Geschehnisse für die Stabsmitglieder zusammenfassen. Damit werden alle auf dieser Ebene aktiven Personen auf einen gemeinsamen Informationslevel gebracht. Diese Zielsetzung gilt es während der gesamten Lage aufrecht zu erhalten, um Kommunikationsverluste oder Missverständnisse zu vermeiden und die Kommunikation im Krisenstab optimal zu ermöglichen. Das KMS wird somit zu einem sehr wichtigen Kommunikationsinstrument, weil hier die oberste Ebene der Krisenlenker direkt involviert ist.
In diesen Führungsstäben werden alle wichtigen Entscheidungen zur Krisenbewältigung getroffen und dokumentiert sowie von nachfolgenden Stabsbereichen oder operativen Kräften umgesetzt. Die KM-Leitung entscheidet, wie umfangreich das KMS eingesetzt wird.
Sie sind seit über 20 Jahren in diesem Umfeld als Software- und Beratungshaus tätig. Welche typischen Probleme im Krisenmanagement begegnen Ihnen immer wieder in Ihren Projekten?
Die Thematik wird sehr oft unterschätzt. Die Unterschätzung, gepaart mit halbherzigem Vorgehen führen oft zu Lösungen, die nicht leistungsfähig und/oder störanfällig sind. Ein weiteres Problem ist, dass beim Aufbau eines KMS oft zu viele “Pseudoexperten” eingebunden werden und dies den Prozess verlangsamt, zum Erliegen bringt oder gar ein Alibitool oder gar kein KMS etabliert wird.
Wenn ein Unternehmen sich für die Implementierung einer Notfall- und Krisenmanagement-Software interessiert: welche Auswahl-Kriterien sollten beachtet werden?
Der Nachweis an Erfahrung und Referenzen hat Priorität Eins. Dabei ist nicht die Frage der Anzahl verkaufter Lizenzen, sondern die Anzahl der geführten Echtzeitlagen in den verschiedenen Bereichen wie Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Industrie relevant. Nur die Systeme, die sich in der täglichen Praxis bewähren sind letztendlich nachweislich tauglich. An diesen Stellen wird im Markt oft geblendet. Wir können beispielsweise auf eine 20 jährige Erfahrung und zig tausend geführter Lagen verweisen und wir setzen Methoden ein, die sich nachweislich in der vielfältigen Praxis bewährt haben.
An Priorität Zwei ist das Vertrauen zu nennen, welches dem Lieferanten eines KMS, das ja dann zu einem langfristig zu nutzenden Schlüsselsystem werden soll, entgegen zu bringen ist.
Als weiteres Auswahl-Kriterium ist sicherlich auch die Bedienbarkeit zu berücksichtigen. Wer sich in einer Krisensituation befindet will nicht noch langwierig in eine komplexe Software eingearbeitet werden. Eine intuitiv bedienbare Lösung, die einfach zu bedienen ist hilft den Krisenmanagern auch die komplizierteste Lage zu bewältigen.
Die Erfüllung der technischen Anforderungen ist Voraussetzung für ein taugliches KMS. Sie sind natürlich wichtig, ergänzen aber nur die zuvor genannten Kriterien.
Der Einsatz einer professionellen Software-Lösung ist sicherlich in einigen Branchen wie bspw. bei den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) unabdingbar. Doch welchen Vorteil bringt eine solche Lösung auch für andere Einsatzszenarien?
Die resultierend mögliche Schlussfolgerung, bei den BOS-Behörden braucht man eine Profisoftware und in anderen Branchen nicht unbedingt, ist irreführend. Es muss anders gefragt werden, um zielführende Antworten zu erhalten:
Würden Sie sich einem System (z.B. einem Feuerwehrauto) anvertrauen wollen, welches nur einmal im Jahr (in der Halle) getestet wird? Der Test sieht dann so aus: das System/Auto springt zwar an aber das ganze Jahr über wird damit nicht gearbeitet / gelöscht etc.. Vor diesem Hintergrund muss man immer bedenken, eventuell geht es bei der nächsten Krise ums Ganze.
Denkbare Einsatzmöglichkeiten sind sicherlich bei Naturkatastrophen oder beim Ausfall wichtiger Lieferanten, aber auch Szenarien, wenn ein Unternehmen sich einer Erpressung gegenüber sieht oder gezwungen ist, bereits verkaufte Produkte aus den Geschäften wieder zurück zu holen. Dann ist die Kommunikation von großer Bedeutung, da alle Beteiligten, ggf. auch weltweit, zeitgleich auf dem gleichen Wissensstand sein müssen, um u.a. auch die immensen logistischen Probleme hier in den Griff zu bekommen.
Oder stellen Sie sich vor, ein Hackerangriff legt Ihre Produktion für mehrere Tage lahm. Auch in diesem Fall ist ein zentrales Kommunikationsinstrument unabdingbar, um Pressemitteilungen abzustimmen und das Vorgehen mit internen und externen (Sicherheits-) Kräften zu koordinieren.
Bedenken Sie, dass bei all diesen Dingen heute der Verbraucher oder Aktionär virtuell mitverfolgt wie qualifiziert die Krise bewältigt wird. Da steht nicht nur das Image, sondern vielleicht auch der Aktienkurs auf dem Prüfstand.
Unsere KM-Lösungen können in allen Branchen Einsatz finden, da sich die dahinter liegenden Methoden tausendfach bewährt haben. Die Kunden können hinsichtlich verschiedenster Anwendungsmodelle, bezogen auf die projektierten Einsatzbereiche, wählen. Unsere Systeme können stets an den Bedarf angepasst oder erweitert werden. Das lässt sich am besten in einem Beratungsgespräch klären, hierzu stehen wir gerne zur Verfügung.