Die „Oscars für Datenkraken“, wie Le Monde die Verleihung einmal nannte, wurden auch in diesem Jahr wieder an die größten Datensünder der vergangenen 12 Monate verliehen. Aufgrund der aktuellen Corona-Bedingungen konnten leider nur wenige Zuschauer die BigBrotherAwards 2020 in der Hechelei in Bielefeld live erleben. Aber viele Teilnehmer verfolgten die Preisverleihung im Internet.
Zu den (un-)rühmlichen Preisträgern, die in diesem Jahr geehrt wurden, zählen:
- Tesla in der Kategorie „Mobilität“
… für die umfassende Erhebung von Daten über die Insassen des Autos und dessen Umgebung. Die Daten werden permanent ausgewertet und können für beliebige Zwecke weiterverwendet werden.
(Link zur ausführlichen Laudatio) - Innenminister des Landes Brandenburg in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“
… für die gesetzeswidrige dauerhafte Speicherung von Autokennzeichen erhalten der derzeitige Innenminister von Brandenburg, Michael Stübgen, und sein Vorgänger Karl-Heinz-Schröter den Preis.
(Link zur ausführlichen Laudatio) - Firma BrainCO und der Leibniz-Wissenschaftscampus Tübingen in der Kategorie „Bildung“
… für EEG-Stirnbänder, die mittels Gehirnstrommessung angeblich die Konzentration der Schüler messen können und an den Lehrerrechner übermitteln.
(Link zur ausführlichen Laudatio) - Die Bundesregierung in der Kategorie „Politik“
… für ihre rechtliche und politische Mitverantwortung im Drohnenkrieg der USA im Mittleren und Nahen Osten.
(Link zur ausführlichen Laudatio) - Susanne Eisenmann, Bildungsministerin des Landes Baden-Württemberg, in der Kategorie „Digitalisierung“
… für die Bereitstellung von Diensten der Digitalen Bildungsplattform des Landes durch Microsoft.
(Link zur ausführlichen Laudatio) - Hennes & Maurtiz (H&M) in der Kategorie „Arbeitswelt“
… für die rechtswidrige Sammlung von Informationen in “Kaffeeküchen-Gesprächen” im H&M-Kundencenter in Nürnberg über Krankheiten von Mitarbeitern und deren Angehörigen.
(Link zur ausführlichen Laudatio) - Innenministerkonferenz der BRD in der Kategorie „Geschichtsvergessenheit“
… für die Absicht, eine lebenslang gültige Personenkennziffer einzuführen, die es ähnlich bereits in Nazideutschland und später in der DDR gab.
(Link zur ausführlichen Laudatio)
Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden Verstöße gegen Datenschutz und Demokratie mit diesen Preisen so an die Öffentlichkeit gebracht. Der Name “BigBrotherAwards” ist George Orwells “1984” entnommen, in der der Autor bereits Ende der vierziger Jahre seine Vision einer totalitären Überwachungsgesellschaft entwarf. Die Preisskulptur, eine von einer Glasscheibe durchtrennte und mit Bleiband gefesselte Figur, wurde von Peter Sommer entworfen. Sie zeigt eine Passage aus Aldous Huxleys “Schöne Neue Welt”.
Und die “Oskars für Datenkraken” haben bereits einiges bewirkt: Sie machten die Datenschutzprobleme bei Kundenkarten bekannt und zeigten die Risiken von RFID-Chips. Schon lange vor den Skandalen bei Lidl, Telekom, Bahn und Co. wurden die BigBrotherAwards an diese Konzerne verliehen, für die Überwachung von Mitarbeitern und Kunden. Auch so illustre Namen wie Otto Schily und Brigitte Zypries wurden mit diesem Preis bedacht, neben der bitkom findet sich auch die Ludwig-Maximilians-Universität München sowie die Bundeswehr unter den Preisträgern.
In Deutschland setzt sich die Jury aus VertreterInnen folgender Organisationen zusammen: Digitalcourage e.V. (ehemals FoeBuD e.V.), Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (Fitug), Chaos Computer Club (CCC), Humanistische Union (HU) und die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR).