Ein Beitrag von Dr. Severin Strauch, Rechtsanwalt bei der Solidaris Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln
Im September 2016 jährt es sich zum 15. Mal, dass das Bundesministerium der Justiz die Regierungskommission eingesetzt hat, welche dann am 26. Februar 2002 erstmalig den „Deutschen Corporate Governance Kodex“ (DCKG) verabschiedet und seitdem mehrfach weiter entwickelt hat. Schon zuvor gab es einige gesetzliche Initiativen wie das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) oder das Wirtschaftsprüferordnungsänderungsgesetz (WPOÄG). Vor allem aber nach der Einsetzung der Regierungskommission und dem Erlass des ersten Deutschen Corporate Governance Kodex hat sich das Rechtsgebiet deutlich weiterentwickelt. Hierzu gehören neben einigen Gesetzesänderungen insbesondere die Kodices der Kirchen und der Sozialverbände, später dann auch die der Kommunen (Public Corporate Governance). Am 24. Juni 2016 traf sich nun die Gruppe der fünf Vorsitzenden der Corporate Governance Kodex-Kommissionen von Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, „um ein Dialogforum über die Rolle der Corporate Governance Kodizes zu etablieren“ – regelmäßige Treffen sollen folgen.
Unter dem Begriff der „Corporate Governance“ sind die Grundsätze für eine gute und sichere Unternehmensführung zu verstehen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind diese wichtiger denn je. Hierunter fallen insbesondere die Verhältnisse und der Ordnungsrahmen der Leitung des Unternehmens, der Organe der Geschäftsführung und deren Überwachung, insbesondere die Verteilung der Aufgaben und Befugnisse auf die verschiedenen Organe. Der Begriff der „Corporate Governance“ umfasst also in erster Linie die Unternehmensverfassung, dort vor allem die Organstrukturen, deren Aufgaben und Zuständigkeiten, ihre Zusammensetzungen, aber auch die Art und Weise des Ablaufs ihrer Sitzungen und Beschlussfassungen. Diese Fragen sind in erster Linie in dem jeweiligen Statut – Satzung oder Gesellschaftsvertrag – und in den Geschäftsordnungen der Organe zusammengefasst. Insbesondere im sozialen Bereich hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Viele der bislang ehrenamtlich tätigen Vertretungsorgane sind bereits – empfehlenswert! – in die Funktionen des Aufsichtsgremiums gewechselt. Die bislang faktisch (und damit ohne eine sichere rechtliche Grundlage) handelnden hauptamtlichen „Unternehmensleiter“ sind in die tatsächliche, organschaftliche Rolle des Vertretungsorgans gerückt. Dieser Vorgang ist in vielen Fällen in den letzten Jahren begonnen und – wenn auch teilweise nach langen Diskussionen –abgeschlossen worden; gleichwohl finden sich immer noch die „alten Strukturen“. Auch bei den „alten Strukturen“ ist es aber oftmals nur noch eine Frage der Zeit, wann diese ihre Grundstrukturen entsprechend einer modernen Corporate Governance anpassen werden.
Gleichwohl gibt es noch viel zu tun:
Einerseits ist es nunmehr nach einigen Jahren der Arbeit in der neuen Struktur für viele Organisationen an der Zeit, die bestehenden Regelungen und ihre Praxistauglichkeit zu hinterfragen; insbesondere also, wie sie sich in der Praxis genau dieser Körperschaft bewährt haben und ob ein an den „Wirklichkeiten“ orientierter Anpassungs- oder Änderungsbedarf besteht. Dabei sollten die Aufsichtsorgane prüfen, wie sie in dem ihnen vorgegebenen Regelungsrahmen ihre Aufgaben wahrgenommen haben und wahrnehmen konnten, wo Schwachpunkte in der eigenen Tätigkeit sind, aber auch, wo die Schnittstellen zum geschäftsführenden Organ der Neujustierung bedürfen. Hierbei kann es sich anbieten, einen externen Berater hinzuzuziehen.
Andererseits hat sich aber auch die Corporate Governance weiterentwickelt und erweitert, versteht man sie als ein System, ein Unternehmen gut, sicher, zukunftsorientiert und im Rahmen der geltenden gesetzlichen Vorschriften zu führen, um Risiken zu minimieren. Sie erschöpft sich nicht nur in der klassischen Corporate Governance als das System der Organe untereinander, geregelt in dem Statut und den Geschäftsordnungen. Weitere Mechanismen und Werkzeuge spielen mit eine Rolle. Begriffe wie Compliance und, diese sicher stellende, „CMS – Compliance Managementsysteme“, Risikomanagementsysteme, Interne Kontrollsysteme bis hin zur Internen Revision haben zwar andere Ansatzpunkte, letztlich aber dieselbe Zielrichtung. Sie gehen in ihrer Anwendung und in ihrem Regelungsgehalt über die Organe der Körperschaft hinaus, regeln aber ebenso die Einhaltung der Gesetze, nicht nur durch die Organe, sondern auch durch die weiteren Führungsebenen und das Personal.
Aufgabe der Überwachungsorgane ist es jetzt, bei den geschäftsführenden Organen die Implementierung von Compliance- und Risikomanagementsystemen anzumahnen und deren Errichtung, Fortentwicklung und grundsätzliche Einhaltung zu überwachen. Spätestens seit der Krise bei der Deutschen Bank oder der „Volkswagen-Affäre“, die sich zu einer veritablen und schlimmstenfalls existenzbedrohenden Krise eines der weltgrößten Autobauer entwickelt hat, wird deutlich, wie wichtig entsprechende Systeme sind oder eben wären. Und dies gilt nicht nur für „Weltmarken“ oder „systemrelevante Banken“ – auch die Einrichtungen des Sozialwesens sind in ihrem Umfeld relevant: für die Region, die Stadt als Versorger im Gesundheitswesens und als Arbeitgeber, aber auch für die dahinter stehende Trägerorganisation.
Hier wird es in den nächsten Jahren noch erheblichen Tätigkeitsbedarf geben.
Dr. Severin Strauch, +49 (0)2203 8997-414, S.STRAUCH@SOLIDARIS.DE