Ein Beitrag von Aram Kaven-Moser, Unternehmensberater und Geschäftsführer der C2S2 GmbH
Aram Kaven-Moser
C2S2 GmbH
Web: http://www.c2s2.eu
Corporate Governance hat viele Facetten, könnte man meinen. Im Allgemeinen bezieht sie sich auf die Erfüllung kapitalmarktrechtlicher Anforderungen an das duale Führungssystem von Aktiengesellschaften – also an das Zusammenwirken von Vorständen und Aufsichtsräten. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) transportiert eine Reihe verschiedener Anregungen und Empfehlungen, der sich Unternehmen im Dienste einer „guten Führung“ freiwillig verpflichten. Einige der im DCGK formulierten Regeln greifen allerdings zu kurz oder vermengen Corporate Governance mit Themen, die besser von ihr abgegrenzt werden sollten.
Besondere Aufmerksamkeit hat das Thema in jüngster Zeit etwa im Zusammenhang mit der gesetzlichen Quote für Frauen in deutschen Aufsichtsräten und Unternehmen erlangt: Die „Frauenquote“ wurde durch eine gesetzliche Neuordnung im März dieses Jahres durch den Bundestag beschlossen. Hier hatten die Anforderungen des DCGK, bei der Besetzung von Führungspositionen auf einen angemessenen Anteil von Frauen zu achten, offensichtlich nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung betrug der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen in Deutschland Ende 2014 nur 18,4 Prozent. In den Vorständen dieser Unternehmen waren es sogar nur 5,4 Prozent. Ab 2016 gilt nun eine 30-Prozent-Regelung für Aufsichtsräte in börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen. Mittelgroße Unternehmen, die mitbestimmungspflichtig oder börsennotiert sind und einen Aufsichtsrat haben – also auch größere GmbHs – müssen sich eigene Zielvorgaben geben und diese bis zum 30. Juni 2017 realisieren.
Hinsichtlich der Vergütung von Vorständen wird zur besseren Kontrolle immer wieder eine rechtlich bindende Beschlussfassung der Hauptversammlung über das Vergütungssystem diskutiert: Nach der aktuellen Fassung des DCGK soll der Aufsichtsratsvorsitzende lediglich einmalig über die Grundzüge des Vergütungssystems und sodann über deren Veränderung informieren. Eine Aktienrechtsnovelle, die ein Mitspracherecht der Hauptversammlung bei der Vorstandsvergütung vorsieht – eine so genannte Say on Pay-Regelung – ist im September 2013 im Bundesrat gescheitert. Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Verhältnis zwischen Anteilseignern, Aufsichtsräten und Vorständen im DCGK künftig weiterentwickelt. Vor allen Dingen darf man gespannt sein, welche Auswirkungen dies auch auf die internen Strukturen zur Entscheidungsfindung in den Unternehmen haben wird.
Sensibilisierung für Compliance
In Bezug auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und unternehmensinterner Richtlinien (Compliance) sieht der Kodex folgendes vor: Der Vorstand hat für die Compliance zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin. Der Vorstand informiert den Aufsichtsrat über alle für das Unternehmen relevanten Fragen der Compliance. Der Aufsichtsrat soll seinerseits einen Prüfungsausschuss (Audit Committee) einrichten, der sich – soweit kein anderer Ausschuss damit betraut ist – mit der Compliance befasst. Durch die explizite Aufnahme des Compliance-Begriffs in die Steuerungs- und Überwachungsaufgaben der Aktiengesellschaft hat der DCGK für eine entsprechende Sensibilisierung – vor allem bei den Aufsichtsräten – gesorgt. Zu einer breiteren Diskussion haben allerdings erst die öffentlichkeitswirksamen Gerichtsverfahren gesorgt, in die Großunternehmen involviert waren bzw. sind.
An Anreizen und Sanktionen scheiden sich die Geister
Im aktuellen Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, die Einführung eines Unternehmensstrafrechts zu prüfen. In diesem Kontext werden derzeit zwei konkurrierende Konzepte diskutiert: Mit der Einführung eines Verbandstrafgesetzbuches könnten Unternehmen auch in Deutschland strafrechtlich belangt werden. Im Zusammenhang mit Schadenwiedergutmachung, Nachbesserung bei betriebsinternen Abläufen (Verbesserung der Compliance) oder für den Fall einer Selbstanzeige sieht der Vorschlag die Möglichkeit vor, einer öffentlichen Klage zu entrinnen. Darüber hinaus existiert ein abgestufter Sanktionenkatalog, der von Geldstrafen über den Ausschluss aus öffentlichen Ausschreibungen und Subventionen bis hin zur Verbandsauflösung reicht. Demgegenüber schließen Vorschläge zur Anpassung des bestehenden Ordnungswidrigkeitengesetzes im Zusammenhang mit Regelverstößen ein klares Bekenntnis zur Compliance ein, das in Form von Anforderungen definiert ist. Zusätzliche Strafen sind hier nicht vorgesehen.
Governance, Risk Management, Compliance: Begriffliche Trennschärfe könnte Konsens fördern
Wenn von Corporate Governance die Rede ist, fallen schnell Begriffe wie Compliance oder Risk Management, die nicht explizit von ihr bzw. voneinander abgegrenzt werden. Eine größere begriffliche Trennschärfe im Hinblick auf die Frage, in welchem Verhältnis diese Steuerungs- und Überwachungssysteme zueinander stehen, könnte den Dialog in den Unternehmen voranbringen. Deswegen soll hier ein entsprechender Versuch gewagt werden: (Corporate) Governance regelt Zuständigkeiten: Es geht darum, wer in einer Organisation Geschäftsentscheidungen treffen und Geschäftshandlungen ausführen darf. Beim Risikomanagement geht es dagegen um die unternehmensstrategische Frage, welche Geschäftsentscheidungen gefällt werden und wie sie ggf. abgesichert werden können. Compliance legt indes fest, ob Geschäftsentscheidungen und -handlungen in Organisationen zulässig bzw. obligatorisch sind. Bei internen Kontrollsystemen geht es schließlich darum, wie Geschäftsentscheidungen prozessual umgesetzt werden und wie dabei Fehler vermieden werden können.
Es geht nicht um Unternehmensethik
Keines der genannten Systeme tangiert jedoch die Dimension der Unternehmensethik: Der moralische Wert einzelner Geschäftsentscheidungen kann nicht über ein Regelsystem vermittelt werden, ohne Verwirrung und Unsicherheit zu schaffen. Es obliegt vielmehr den Führungskräften einer Organisation, ihre Vernunft und ihr Erfahrungswissen einzusetzen und damit der ihnen übertragenen Verantwortung nachzukommen und moralisch vorbildhaft zu handeln. Bei der Vermittlung struktureller Unternehmensvorgaben kann sich ein positiver Lerneffekt immer dann einstellen, wenn die Regeln klar sind und der moralische Wert einzelner Geschäftsentscheidungen und -handlungen in direkter Kommunikation mit den Führungskräften hinterfragt wird. Unternehmenskultur braucht also mehr als die Berufung auf einen allgemeinen Regelkodex. Unternehmenskultur entwickelt sich, wenn optimal verfügbar gemachte Regeln im persönlichen Umgang der Organisationsteilnehmer untereinander und mit der Umwelt mit Persönlichkeit gelebt werden. Unser Begriff dafür: Corporate Conduct.