… aber nicht im Gesundheitswesen!
Wie steht es mit dem Ansehen des Gesundheitswesens und dem Ruf seiner Leistungserbringer? In der jüngsten Vergangenheit gab die Branche häufig kein allzu gutes Bild ab. Abrechnungsbetrug, Organspendeskandale, Hygienemängel- und Verhaltensverstöße von Mitarbeitern gegenüber Patienten sind immer wieder in den Medien präsent. Viele dieser negativen Schlagzeilen sind das Ergebnis bewusster oder unbewusster Nichteinhaltung von gesetzlichen, vertraglichen oder freiwilligen Regeln und Vorgaben. Für Leistungserbringer ist es deshalb unerlässlich Systeme zu implementieren, deren Zielsetzung die Einhaltung und Sicherstellung aller relevanten Regeln ist.
Um sich für die Zukunft zu rüsten, müssen sich Einrichtungen des Gesundheitswesens der Risiken, die aus Regelverstößen resultieren können, bewusst werden und sich intern sicher aufstellen. Wesentliche Instrumente des Compliancemanagement (CM), wie beispielsweise Medizintechnik-, Qualitäts-, Hygiene-, Brandschutz- und Datenschutzbeauftragter, Vertrags- und Organisationsmanagement sind oftmals bereits vorhanden. In der Regel fehlt es aber an einer Systematisierung, Dokumentation und vollständiger Integration der jeweiligen Komponenten. Bei den Betroffenen erweckt dies regelmäßig den Eindruck, als ständen ihre Einrichtungen des Gesundheitswesens am Fuße eines Berges. Doch nach einer Bestandsaufnahme vorhandener Komponenten zeigt sich oft, dass die Spitze des Berges bereits sichtbar ist.
Ursächlich hierfür ist, dass es kein einheitliches Verständnis von CM und auch keine standardisierten Umsetzungskonzepte gibt. Publizierte Lösungsansätze sind auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zugeschnitten und lassen sich nicht ohne weiteres in gemeinnützigen Einrichtungen umsetzen. Dennoch können grundsätzlich auch kleinere Einrichtungen aus den bereits in der Einrichtung vorhandenen CM Komponenten ein wirksames Compliance-Management-System (CMS) errichten.
Die folgenden fünf Grundsätze können auf dem Weg zu einem wirksamen CMS hilfreich sein:
1. Verantwortung: Klare Bekenntnis – Klare Strukturen
Die Basis jeglicher Compliance-Bestrebungen ist ein klares Bekenntnis der Führungsebene zur Einhaltung aller relevanten Regeln. Wenn die Geschäftsleitung nicht mit gutem Beispiel vorangeht, werden sich die Mitarbeiter ebenfalls nicht verpflichtet fühlen. Es sollte verbindlich ein zentral verantwortlicher Ansprechpartner für Compliance benannt werden. Je nach Einrichtungsgröße eignet sich beispielsweise der Datenschutz- oder Qualitätssicherungsbeauftragte. Auch Abteilungsleiter können als erste Ansprechpartner fungieren, wichtig ist aber, dass es einen zentralen unabhängigen Compliance-Verantwortlichen gibt.
2. Bewusstsein schaffen statt Enzyklopädien
Ein CMS braucht prägnant dokumentierte Vorgaben, Richtlinien und Arbeitsanweisungen, um die Regelkonformität der Abläufe sicherzustellen. Vielfach zeigt sich im Rahmen einer Erstaufnahme, dass bereits Dokumente vorhanden sind, die weiterentwickelt werden können. Neben einer zentralen Verwaltung ist zudem wichtig, alle regelrelevanten Dokumente klar und einheitlich zu strukturieren. Diese Art der Gestaltung soll den Mitarbeitern sensibilisieren und Orientierung hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der betrieblichen Abläufe geben. Ziel ist es, die einzuhaltenden Regeln herauszufiltern und den Adressaten so komprimiert wie möglich zu vermitteln.
3. Integration und Vermeidung von Doppelarbeiten
Priorität bei der Entwicklung eines CMS ist die zielgerichtete Nutzung und Vernetzung vorhandener Komponenten. Bereits existente Komponenten müssen an einer zentralen Stelle identifiziert und dokumentiert werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen bedarf es der Überlegung, in wie weit die Komponenten erweitert werden können, um die Vollständigkeit eines CMS sicherzustellen.
4. Kommunikation
Eine zielgerichtete Kommunikation – sowohl vertikal als auch horizontal – ist wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung eines CMS. Die Mitarbeiter muss aktiv Informiert werden und es muss ein regelmäßiger Austausch stattfinden. Es bietet sich an, Compliance-Themen in die abteilungsinternen Besprechungen aufzunehmen. Darüber hinaus müssen sichere Kommunikationswege zur Anzeige von festgestellten oder potenziellen Verstößen geschaffen werden.
5. Transparenz und Dokumentation
Die Schaffung von Transparenz ist eines der wirksamsten Instrumente des CMS. Je transparenter Abläufe und Prozesse gestaltet sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines bewussten oder unbewussten Regelverstoßes.
Neben den dargestellten Grundsätzen ist die Überwachung und Weiterentwicklung des Systems im Zeitablauf entscheiden, um die Wirksamkeit des CMS sicherzustellen. Ein CMS trägt nicht nur dazu festgestellte oder potenzielle Regelverstöße und deren negativen Folgen zu minimieren, sondern hat auch einen positiven Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg der Einrichtung. Zentraler Bestandteil eines CMS ist das Wertemanagement, da die Integrität aller Mitarbeiter gefördert wird, was zu einer positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit führt. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter kann aufgrund der erhöhten Transparenz und der daraus resultierenden Sicherheit deutlich steigen. Einrichtungen des Gesundheitswesens sind daher besonders gefordert, sinnvolle sowie angemessene aber auch pragmatische CMS zu schaffen, um nicht ihren Ruf aufs Spiel zu setzen.
Weitere Informationen finden Sie unter www.solidaris.de.
Claudia Dues ist Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin sowie Leiterin des Kompetenzbereichs Prüfungsnahe Beratung bei der Solidaris Revisions-GmbH. Sie ist spezialisiert auf die Prüfung und Beratung von Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen. Zu Ihren Schwerpunkten zählen insbesondere die Durchführung von Due Diligence Prüfungen, Unternehmensbewertungen sowie die Erstellung von Sanierungskonzepten, Wirtschaftlichkeitsanalysen und integrierten Finanzplanungsrechnungen.
Martin Wohlgemuth ist als Rechtsanwalt/Fachanwalt im Bereich Medizinrecht bei der Solidaris Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig. Er berät in verschiedensten medizinrechtlichen Fragestellungen; neben Krankenhauskonzernen (in privater und freigemeinnütziger Trägerschaft) gehören auch ambulante Leistungserbringer zu seinen Mandanten.