Anonyme Meldesysteme sind bereits seit einigen Jahren Pflicht in Krankenhäusern und Einrichtungen des Gesundheitswesens. Gesetzliche Grundlage für die Einführung eines Critical Incident Reporting Systems (CIRS) ist das im April 2014 beschlossene “Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)“.
Gemeint sind hiermit Systeme, die eine anonyme Meldung von Beinahe-Schäden, Fehlern oder kritischen bzw. unerwünschten Ereignissen ermöglichen. Entweder mithilfe von Papier-Meldeformularen oder auch Software-gestützt werden von den Mitarbeiter.innen ohne Angabe von Namen Vorkommnisse gemeldet, die beinahe zu einem Schaden geführt hätten. Wichtig hierbei ist, dass der Schaden nicht tatsächlich eingetreten ist. Die Meldungen werden von einer zentralen Vertrauensperson oder einem zentralen Vertrauensgremium gesichtet und ggf. weiter anonymisiert, damit keine Rückschlüsse auf individuelle Personen, Abteilungen oder Vorkommnisse möglich sind.
Was ist der Zweck eines solchen Systems?
Ursprünglich aus der Luftfahrt kommend hat sich CIRS mittlerweile auch im deutschen Gesundheitswesen etabliert. Die anonyme Meldung hilft, unmittelbare Gefahren zu erkennen und im Vorfeld bereits Maßnahmen zu ergreifen, die dazu führen, dass der potentielle Schaden erst gar nicht eintritt. Ein Critical Incident Reporting System unterstützt mithin die Organisationen, aus Fehlern zu lernen und präventiv die Prozesse und Abläufe so zu organisieren, dass Vorkommnisse mit negativen Auswirkungen auf Patienten oder auch auf Mitarbeitern weitgehend vermieden werden können.
CIRS in der Einrichtung einzuführen und die Akzeptanz der Mitarbeiter zu gewinnen ist kein einfacher Prozess. Zu groß sind häufig die Ängste vor persönlichen Strafen, Denunziantentum und überhand nehmender Verwaltungsarbeit. Hinzu kommen Fragen wie:
„Was passiert, wenn innerhalb des CIRS-Systems plötzlich Straftaten gemeldet werden, die sonst nicht ans Licht kommen? Darf das zentrale Gremium dann einschreiten und die Anonymität ggf. aufheben? Wer soll diesem Gremium angehören?“
Hilfestellungen geben verschiedene Institutionen in Deutschland wie z.B. das Aktionsbündnis für Patientensicherheit, verschiedene Ärztekammern oder CIRS-NRW.
Zusätzlich zu den einzelnen Meldesystemen in den Einrichtungen gibt es verschiedene überregionale Netzwerke, bei denen sicherheitsrelevante Ereignisse gemeldet werden können. Diese werden dann von einem internen Gremium geprüft und anonymisiert, so dass keine Rückschlüsse auf Personen, Kliniken oder konkrete Zwischenfälle möglich sind. Die Meldungen werden in dieser Form veröffentlicht und können von den Nutzern gelesen und in den meisten Fällen auch kommentiert werden. Allerdings ersetzen diese Netzwerke nicht die gesetzlich vorgeschriebenen internen Meldesysteme.
Nachfolgend eine Auswahl von Plattformen, die überregionale und interdisziplinäre Critical Incident Reporting Systeme zur Verfügung stellen.
Das Netzwerk KH-CIRS-Netz 2.0 stellt einen Zugang zu überregional bedeutsamen Zwischenfällen und deren Lösungsansätzen zur Verfügung, so dass ein gemeinsames, interdisziplinarisches Lernen über die Grenzen der eigenen Organisation hinaus ermöglicht wird. Im “Fall des Monats” werden aus allen Meldungen Fälle ausgewählt, die entweder in dieser Art besonders häufig vorkommen oder als besonders bedeutungsvoll eingestuft werden. Träger der Plattform ist die Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat e.V..
Auch CIRSmedical.de richtet sich an alle Mitarbeitenden des Gesundheitswesens. Träger der Plattform ist die Bundesärztekammer. Es können alle sicherheitsrelevanten Ereignisse, die in der Medizin auftreten, von Mitarbeitenden aus dem Gesundheitswesen gemeldet werden. Die Meldungen werden von berechtigten Mitarbeiter.innen der Bundesärztekammer gelesen, die ggf. Details wie Namen, Ortsangaben oder andere spezifische Angaben löschen, damit keine Rückverfolgung oder Wiedererkennung des Vorfalls möglich ist. Diese anonymisierten Fälle werden dann veröffentlicht und zur Kommentierung durch Kollegen freigegeben.
Die Plattform pasis sammelt kritische Ereignisse der klinischen oder präklinischen Patientenversorgung. Nach der Anonymisierung und Analyse der Meldungen erhält die berichtende Einrichtung eine Ursachenanlyse und Handlungsempfehlungen als Feedback zurück. Dabei arbeitet die Plattform überregional und interdisziplinär. Die Kosten für die Teilnahme an der Plattform richten sich nach der Größe der Institution sowie dem gewünschten Umfang der Analyse. Träger der Plattform ist das Projekt tüpass (Tübinger Patientensicherheits- und Simulationszentrum) am Universtitätsklinikum Tübingen.
Eine Plattform speziell zur Meldung von kritsichen Ereignissen für Medizinprodukte stellt Netzwerk Medizinprodukte Sicherheit dar. Die Seite wendet sich insbesondere an alle Verantwortlichen bei Rettungsdiensten, Notarztdiensten, Herstellern von Medizinprodukten oder sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens, die sich zu diesem Thema gerne vernetzen möchten. Die anonymisierten Meldungen werden von einem Auditorenteam begutachtet und auch dem Herstellern des betroffenen Medizinprodukts zur Stellungnahme weitergeleitet. Erst dann wird der Fall auf der Plattform veröffentlicht.
Der Berufsverband Deutscher Anästhesisten stellt zusammen mit der Gesellschaft für Anäysthsiologie und Intensivmedizin und der Bundesärztekammer die Plattform CIRS-AINS zur Verfügung. Das Meldesystem dient der anonymen Erfassung und Analyse von sicherheitsrelevanten Ereignissen in der Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie.
Weitere Informationen zum Thema Critical Incident Reporting Systeme finden Sie auf unserer Plattform.